Liebesfreud und Liebesleid mal vier
DS-Kurse des LOG Bruchköbel führen ihre Theaterproduktionen auf
Dieser Tage konnte das Lichtenberg-Oberstufengymnasium in Bruchköbel mit der Aufführung der Jahresproduktionen der Kurse im Fach Darstellendes Spiel gleich eine doppelte Premiere feiern: Zum einen konnten die von den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 einstudierten Theaterstücke erstmals wieder ohne pandemiebedingte Einschränkungen einem größeren Publikum präsentiert werden, zum anderen stand dafür, ebenfalls erstmalig, der große Saal im neuen Stadthaus zur Verfügung.
Und die große Bühne verdienten die vier Produktionen auch, standen doch Bearbeitungen dreier Schwergewichte der Theaterliteratur sowie eine Eigenproduktion auf dem Programm.
Den Anfang machte der Kurs von Caroline Dujardin mit Shakespeares „Romeo und Julia“. Die Handlung erschien in der Inszenierung auf das Wesentliche komprimiert (Kennenlernen, heimliche Hochzeit, gewaltsames Aufeinandertreffen der verfeindeten Familien, Tod der beiden). Musik und aufwändige Tanzchoreographien trugen mit den raschen Szenenwechseln zu einer beeindruckenden Dynamik bei, die die Zuschauer das Geschehen atemlos verfolgen ließ. Ein besonderer Regieeinfall bestand darin, dass die Liebespaare vervierfacht auf der Bühne agierten, was einerseits beispielsweise die berühmte Balkon-Szene in ein leicht humoristisches Licht tauchte, andererseits durch kleine Variationen im Verhalten der Akteure auf der Bühne Interpretationsspielräume eröffnete.
„Macht.Liebe.Kaputt?!“ lautete der Titel des folgenden Stückes, das eine Bearbeitung von Lessings „Emilia Galotti“ durch den Kurs von Anastasia Drakopoulos darstellte. Auch in diesem Stück steht die unglückliche Liebe im Vordergrund: Der Prinz von Guastalla begehrt das Bürgermädchen Emilia und lässt deshalb ihren Bräutigam ermorden. Auch in dieser Inszenierung waren interessante Regieeinfälle zu beobachten. So standen etwa dem Brautpaar Emilia – Graf Appiani jeweils ein ‚Engelchen‘ und ein ‚Teufelchen‘ zur Seite, die die süßen Liebesworte des Paares reflektierten und kommentierten und sogar nach dem Abgang der beiden miteinander in Streit gerieten. Bei Lessing wird Emilia am Ende auf eigenen Wunsch von ihrem Vater getötet, um sie so vor dem lüsternen Zugriff des Prinzen zu schützen. Nicht so in dieser Inszenierung: Ein Chor wollte schon abschließend das Geschehen kommentieren, als sich ein einzelnes Mitglied löste und mit energischen Worten die Tat verhinderte. Stattdessen griff Emilia selbst zur Waffe und tötete den Prinzen.
Nach der Pause ging es mit „Maria S.“ weiter, einer Bearbeitung von Schillers „Maria Stuart“ durch den Kurs von Benjamin Baumann. Im Zentrum hier: der unversöhnliche Streit der beiden Königinnen Maria und Elisabeth sowie Marias Hinrichtung. Die verwickelte Vorgeschichte der schottischen Königin präsentierte Maria selbst dem Publikum in Form eines monologisch vorgetragen autobiographischen Abrisses. Etwas anders als bei Schiller, eskalierte das Treffen der beiden Protagonistinnen hier sofort zum handfesten Streit (was für Maria zugleich das Todesurteil bedeutet). Die Hinrichtungsszene wurde dem Publikum indirekt präsentiert. Während das anwesende Volk den Blick nach rechts richtete, konnte der zwischen Elisabeths Gunst und Marias Liebe hin und her lavierende Graf Leicester den Anblick des Geschehens nicht ertragen, schilderte diesen dennoch mit seinen eigenen Worten. Zwischen den Szenen unterhielten sich vor der Bühne jeweils drei Zuschauer kontrovers über das Verhalten Elisabeths und reflektierten damit gewissermaßen auch die Gedanken des Publikums.
„Ohne Worte“ lautete der Titel des abschließenden Stückes, der Eigenproduktion eines weiteren Kurses von Caroline Dujardin. Der Titel war hier Programm, denn gesprochen wurde in der eindrucksvollen Darbietung (fast) nicht. Nach einer einführenden Interaktion einzelner Darsteller mit dem Publikum („Wann schweigst Du, obwohl Du reden solltest?“) wurden atmosphärisch dichte Szenen präsentiert, die alle etwas mit der Beziehung eines Einzelnen zu einem Anderen oder einer Gruppe zu tun hatten. Weiße Schutzanzüge und Masken symbolisierten die anonyme Menge, die einen Konformitätszwang aufbaut. Andererseits stellten weiße Jacken die vorübergehende Zugewandtheit eines Paares dar. Klavier- und Gesangseinlagen, getragen in Tempo und Rhythmus, erzeugten neben der Langsamkeit der Bewegungen eine meditative Stimmung. Erst am Ende findet ein einzelner Protagonist Worte – in Form eines emotionalen Appells, sich seiner selbst bewusst zu werden.Nach langanhaltendem Applaus für einen gelungenen Theaterabend konnte der stellvertretende Schulleiter des LOG, Marcus Thom, das gut unterhaltene und auch bewegte Publikum verabschieden.