Einblicke in den katholischen Religionsunterricht

Religionskritik – passt das in den Reli-Unterricht? 

Der Religionsunterricht am LOG hat das Ziel, den Glauben zu stärken und auch die Kirche in positivem Lichte erstrahlen zu lassen. Aus eigener Erfahrung wissen unsere Schüler, dass man an Gott glauben, aber auch seine Existenz bestreiten oder auch ignorieren kann. Wichtig ist es, dass eine Reflexion über die benutzte Sprache stattfindet, denn über Gott kann nicht wie von den Dingen dieser Welt gesprochen werden. 

In einer aufgeklärten Welt werden der Glaube sowie kirchliche Strukturen – so gibt es das Kerncurriculum vor – auch kritisch beleuchtet, um den Schülerinnen und Schülern einen vollumfänglichen Blick auf die religiöse und säkulare Wirklichkeit zu ermöglichen. Als Unterrichtsbeispiel sei hier das Thema ,,Religionskritik“ genannt, die beispielhaft an folgenden Personen illustriert wird:  

Thomas Hobbes (1588-1679). Er gilt als Begründer des Rationalismus, der sich auf die menschliche Natur, also die menschliche Vernunft, beruft. Der Staat ist souverän, sodass Religion dem Staat unterstellt sein muss. Alle konfessionellen Streitigkeiten und dogmatischen Fragen erklärt er zur Privatangelegenheit der Religionen und Konfessionen. Der Staat, der ja für Frieden verantwortlich ist, bestimmt die Art und Weise der öffentlichen Gottes-verehrung, sodass Kirchen sich uneingeschränkt den staatlichen Gesetzen zu unterwerfen haben. Der Öffentlichkeitsanspruch der Kirchen fällt weg.  

Karl Marx (1818-1883). Marx übernimmt im Prinzip die komplette Religionskritik von Feuerbach. D.h., dass auch bei Marx Gott zunächst eine Projektion des Menschen ist und dass sich der Mensch seine Religion und seinen Gott macht. Somit kann auch bei Marx diese Jenseitsausrichtung das Diesseits vernachlässigen. Weil daher die Religionskritik seiner Zeit als vollzogen galt, fordert Marx nun die Durchsetzung gesellschaftlicher Verhältnisse, die keiner Religion mehr bedürfen. Aus der Religionskritik wird somit Gesellschaftskritik. Marx sieht den Mensch als ein von der Gesellschaft abhängiges Wesen: der Unterbau einer Gesellschaft (Arbeitskräfte + Besitzverteilungen) bestimmt den Überbau (Religion, Kunst, Politik). Religion als Projektion des gesellschaftlichen Bewusstsein heißt also, dass sie nur Ausdruck der ungerechten gesellschaftlichen Bedingungen ist. Religion ist damit ein Opium des Volkes, ein Trostmittel, das auf das Jenseits vertröstet, ein Widerschein der Verhältnisse. Dabei entsteht Religion durch die ungerechten Verhältnisse automatisch, aber verschwindet ebenso automatisch wieder, wenn sich die Verhältnisse bessern.  

Jean-Paul Sartre (1905-1980). ,,Selbst wenn es einen Gott gäbe, würde das nichts ändern. Das ist unser Standpunkt“, hatte er einst geäußert. Der radikale atheistische Existentialist Sartre sah den Menschen zur Freiheit verurteilt (!), was zur Folge hat, dass er die Möglichkeit hat zu scheitern. Dabei sei das Scheitern kein Gegensatz zur Freiheit, sondern eben eine inhärente, also darin inbegriffene, Möglichkeit. Ausdrücklich in Richtung des Christentums kritisiert er die Selbstvernichtung des Menschen durch den Glauben an einen Gott, denn die Idee Gottes sei widerspruchsvoll.  

Am bündigsten formuliert er seine These mit dem Satz „Die Existenz geht dem Wesen voraus“ („L’existence précède l’essence“) – einzig sein nacktes Dasein ist dem Menschen vorgegeben; der Mensch ist da, noch bevor er definiert wird; was ihn am Ende ausmacht, muss er erfinden. Dass die Existenz dem Wesen, der Essenz, vorangehe, ist allerdings eine Formulierung, die der Vorsicht bedarf. Diese Formulierung steht nämlich auch dafür, „dass der Mensch erst existiert, auf sich trifft, in die Welt eintritt, und sich erst dann definiert.“ Eine recht mechanistische Beschreibung, denn dass die Existenz dem Wesen vorangehe, soll ja keine zeitliche Reihenfolge beschreiben, sondern eine ontologische. Das heißt: Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Der Mensch muss selbst eine Idee von sich entwerfen, sein eigenes Wesen (Essenz) schaffen und einen Lebensplan für sich aufstellen, da er keine vorab definierte menschliche Wesensnatur und keinen festgeschriebenen Sinn vorfindet. Dementsprechend gibt es auch keine vorgegebenen Werte oder Normen, auf die sich der Mensch berufen könne, sondern sie sind vom Menschen erfunden und haben folglich nur eine die Bedeutung, die er bereit ist, ihnen zuzumessen (z.B. Gerechtigkeit, Ansehen, Höflichkeit, Dankbarkeit, Freundlichkeit, Respekt). Es gebe auch keine Schuld und keine Vergebung. Vielmehr legt sie der zufällig in die Welt geworfene Mensch in seiner radikalen Freiheit selbst fest, ist dabei komplett auf sich gestellt, hat dabei keinerlei Verlässlichkeit. Am Anfang sei der Mensch überhaupt nichts. Er werde erst in der weiteren Folge SEIN, und er wird so sein, wie er sich geschaffen haben wird.  

Für Sartre existiert, wie oben bereits angedeutet, folglich kein allmächtiger und gütiger Gott, da die Tatsache unendlichen Leids, vor allem unschuldiger Menschen, dazu im Widerspruch stehe. Zudem sei die absolute Freiheit des Menschen, wie oben beschrieben, unvereinbar mit der Existenz eines transzendenten Gottes, die ja stets mit einem vorgegebenen Sinn, einem bestimmten Menschenbild und einer definierten Ethik verbunden ist. Der Mensch muss daher die Religion überwinden, um seine Freiheit radikal zu leben und Verantwortung übernehmen zu können. Würde behält er nur insofern, als er der Welt einen Sinn verleiht, beispielsweise durch humanitäres oder politisches Engagement. 

Die Schülerinnen und Schüler hatten den Auftrag, sich in die Rolle eines Religionskritikers zu versetzen. Als ein solcher mussten sie nach theoretischer Analyse ihres Religionskritikers (siehe Texte) und dessen Weltsicht vor einer fiktiven katholischen Gemeinde (dem Kurs) eine Rede halten (siehe Videos), mit der sie diese von ihrer Religionskritik oder Kritik an der Religion überzeugen sollten.  

Folgende Schülerinnen und Schüler (Q3) übernahmen die Ansichten von Thomas Hobbes (JUSTIN POLLAK) , Karl Marx (WIKTORIA ROMANSKA) sowie Jean-Paul Sartre (LORENA CHIAVINO) und trauten sich vor die Kamera. Baruch de Spinoza (MILCHO KUTUEV), John Locke (ELIAS SEL) und John Toland (RAFAEL TITZE) wurden ebenso als Religionskritiker gefilmt. (Sehen Sie ebenso die Videos!) 

Neben der Beschäftigung mit der Gottes- und Religionsfrage steht aber auch der Mensch in christlich-katholischer Perspektive im Vordergrund, die Auseinandersetzung mit dem ICH, mit biblischen Texten, mit dem Mitmenschen und mit der Welt. So wird der Mensch als Geschöpf Gottes wahrgenommen und steht als Wahrheitssuchender auch vor Schwierigkeiten der Ethik, die im Religionsunterricht aus christlicher Sichtweise ebenfalls einen großen Stellenwert einnimmt.

S. Marx 

 

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